Der Journalist Heribert Schwan (70) führte in den Jahren 2001 und 2002 an mehr an 100 Tagen Gespräche mit Ex-Kanzler Helmut Kohl, die ca. 630 Stunden lang auf Tonband aufgezeichnet wurden. Sie waren die Grundlage für die große Kohl-Biografie, die Heribert Schwan als Auftragsschreiber von Kohl schrieb und deren erste drei Bände auch erschienen sind. Über den geplanten vierten Band kam es 2009 zum Zerwürfnis zwischen dem Politiker und seinem Ghostwriter.
Kohl forderte die Tonaufzeichnungen von Schwan zurück, musste schließlich um die Herausgabe sogar vor Gericht streiten. Er bekam die Tonbänder im Sommer 2014 auch zugesprochen, in denen er sich u.a. freimütig über viele politische Mitstreiter während seiner Kanzlerschaft ausließ. Die Inhalte beanspruchte allerdings weiterhin der ehemalige Kohl-Biograf Heribert Schwan u.a. mit dem Argument, er habe sich die Gespräche mit vielen Vorbereitungen erarbeitet und verwendete sie in seinem 2014 erschienen Buch “Vermächtnis: Die Kohl-Protokolle“. Auf 256 Seiten sind die z.T. drastischen Formulierungen des Altkanzlers über seine Politiker-Kollegen und –Kolleginnen jetzt nachzulesen.
Die Anwälte Helmut Kohls bezeichneten dies als „einen unglaublichen Rechtsbruch, als einen Diebstahl geistigen Eigentums". Während Heribert Schwan und seine Rechtsvertreter darauf beharrten, die Aussagen Kohls seien von überragendem öffentlichem Interesse und könnten deshalb veröffentlicht werden.
Das Oberlandesgericht Köln verurteilte Schwan zur Herausgabe der Tonbänder. Dagegen hat der Autor Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe eingelegt.
Das Landgericht Köln entschied in einem 2.Verfahren, dass insgesamt 115 Zitate Kohls in dem Buch geschwärzt werden müssten. Tendenz: Schwan sei als Kohls Ghostwriter zur Verschwiegenheit verpflichtet gewesen, die er mit der Veröffentlichung des Buches gebrochen habe. Dagegen ist der Heyne-Verlag beim OLG Köln in Berufung gegangen.
Darf ein Ghostwriter alles, was er beim Schreibprozess vertraulich erfährt, anschließend in einem eigenen Buch publizieren? Kann er sich dabei auf das öffentliche Interesse an Äußerungen des Altkanzlers als einer absoluten Person der Zeitgeschichte berufen? Über die rechtlichen, aber auch über moralische und medienethische Frage führen Hans Leyendecker und Heribert Schwan ein Streitgespräch.